Stifts-Archiv St. Gallen, 3. Okt. 1930 St. Gallen An das Departement des Innern des Kantons St. Gallen St. Gallen ---------- Auf die Anfrage des Herrn E.F. Wolgensinger, Ing. in Zürich diene Ihnen folgendes: Die "Wolgensinger" sind kein eingewandertes, sondern einem autochtonem (ureingessenem) Geschlecht der Gemeinde Mosnang entstammend. Schon das Ortslexikon der Kantone St. Gallen und Appenzell, bearbeitet von Otto Henna-Am Rhyn weist S. 294 darauf hin, dass "Wohlgensingen" eine Häusergruppe zwischen Mosnang und Lenzlingen ist und "die Heimat des Geschlechtes Wohlgensinger". Und die Toggenburger-Chronik von Rüdlinger-Rothenflue führt S.204 unter den verschiedenen Ortschaften, welche die Gemeinde Mosnang bilden, auch "Wohlgensingen" auf. Die erste urkundliche Erwähnung, die ich nach längerem Nachsuchen in unserem Archive beibringen kann, ist denn auch diejenige der Ortschaft oder des Weilers. Im Lehenbuche des Stiftes St. Gallen unter Abt Ulrich Rösch von 1470 Lehenarchiv Band 91, fol 7a findet sich der Eintrag: "Item Hainrich Farer von Liechtenstaig hat emntpfangen zu sinen und anderen siner Tailgenossen hannden den Hoff zu Hyttlingen und den zechenden zu Uttewyl; me ain wyseli zu Wenngi. Me hat er entpfangen als ain trager zu siner schwoester hannden die vogty zu Wolckassingen, innhalt der briefen…….." Uebereinstimmend damit erscheinen indessen in den Leheneintragungen desselben Bandes aus der Pfarrei Mosnang ("Massnang") und aus demselben Jahr 1470 aus fol. 12a "Hanns von Wokessingen" und "Uli von Wolckessingen" als Lehenempfänger. Im Lehenbuche Abt Franz Gaisberg's von 1508, Lehenarchiv Band 101, fol. 5b empfängt "Rüdi Farer zu Liechtenstaig III lib III bd III hüner vogtstür zu Wolgassingen" und fol. 59a bei den Lehenempfängen in Mosnang "Rüdy von Wolgensingen und Anna Baldeggerin, wilunt Hanns von Wolgessingen verlassne witwe und ihre kinden, es sigent stuff ald ire rechte Kind, der xI sund, durch Rüdin von Wolgesingen" ihre Lehen. Die oben erwähnte Vogtsteuer empfängt in der gleichen Höhe von 3 Pfund, 2 Schilling Pfennig und 3 Hühner schon im nächsten Jahre 1509 "Ulrich Vorer zu Liechtenstaig als ain trager zu Barbara Spizlin, siner miter, och im selbs und siner vIII geschwistergen handen"; dabei lautet die Schreibweise: "zu Wollgassingen". Lehenarchiv Band 102, fol. 72a 1540 im Lehenbuche Abt Diehelm Blarers erscheint erstmals der Geschlechtsname in zwei Lehenempfängern aus der Pfarrei Mosnang: "Stoffl Wockassinger" und "Jacob Wolckassinger von Wolckassingen", während der Name der Ortschaft bei der Belehnung mit der Vogtsteuer "Wolgissingen" geschrieben ist (Lehenarchiv Bd. 113, fol. 19a & b, 3b). In den Leheneintragungen von 1548 erscheinen die beiden ebengenannten als "Stoffel Wolgessinger" & "Jacob Wolgessinger von Wolgissingen", während daneben von der gleichen Schreiberhand zum gleichen Jahre in Mosnang eingetragen sind: "Bilgeri von Wolgissingen…. anstatt siner bruederen Kilion, Hanns und Gretta den Wolgessingeren" und unmittelbar hernach der gleiche als "Bilgeri von Wulgissingen….. als ein thrager ze sins Bruders Hanss Wulgissinger handen" (Lehenarchiv Bd. 114, fol. 95a.) Die Leheneintragung von 1562 lautet als "Hanns Wolkensinger". Sie ist genau datiert auf den 17. Feb. 1562. Eine weitere von der gleichen Hand, vom 19. Mai 1562 wird geschrieben: "Hanns Wolckhensinger" (Lehenarchiv Bd. 121, fol. 177b, 178b). Zehn Jahre später, 1572, erscheint in der Leheneintragung unter Abt Othmar II. Kunz die Schreibweise, wie sie sich von dort an fast hundert Jahre nachweisen lässt: "Wolgesinger". Die Eintragung, Lehenarchiv Bd. 121, fol. 113b, lautet: "Jacob Wolgesinger von Bernhartshalden empfacht zu sin und mals Leechentrager siner geschwüstergit Anndres, Hannsen, Anna, Ila (sie!), Maidlene unnd Trina der Wolgesingern, ouch irs abgestorbnen bruder Hannsen säligen Kindern gmeinen hannden zu leechen 1 stuck wissen und weid unnd den halben thayil, so zu dem hoff Bernhartshalden gehörig, wie sy das uf absterben irer miter Margreth Wyssmenin ererbt Hand ir Stieffvatter Hanns Aman der elter inen zuugestellt, unnd durch sinen son ufgeben. Actum Zinstag nach Othmari anno 72 (18. November 1572)". Noch fünf Jahre früher, 1567, schrieb im gleichen Lehenbuche, fol. 104b, eine andere Schreiberhand: "Chilion Wolgessinger von Wolgessingen" und "Hanns Wolgesinger". In der erwähnten Form Wolgesinger findet sich der Name noch 1655 bei der unter Abt Gallus III. Alt in Mosnang (Mossnang) am 19., 20., und 21. April 1655 vorgenommenen Generalbelehnung: "Jacob Wolgesinger"; "Melcher Wolgesinger"; "Jacob Wolgesinger" eintgetragen (Lehenarchiv Bd. 163, fol. 117b.) Unter dem Nachfolger von Abt Gallus II. findet sich dagegen im Handbuch der Jahr für Jahr fällig wordenen Lehen zu 1692 erstmals die Form Wohlgesinger: "Johannes Wohlgesinger von Moslang auff dem Boden" (Lehenarchiv Bd. 198, Mosnanger Lehen fol. 4a.) Diese Form Wohlgesinger ist festgehalten indem es in der Generalbelehnung unter Abt Leodegar Bürgisser, eingeschrieben ist, und zwar am 28.-30. Juli 1700 mit: "Joanes Wohlgesinger uff dem Brunen Boden", während unmittelbar darunter eine etwas spätere Hand, wohl dessen Sohn und Erben mit "Peregrind Wollgesinger" einträgt (Lehenarchiv Bd. 218. fol. 73b). Der gleiche Peregrin erscheint aber 1722 in der Generallbelehnung von "Mossnang" als "Peregrin Wohlgesinger uff dem Brunen" Lehenarchiv Bd. 232, fol. 66a). So ist die Namensform festgehalten in dem Eintrag der Generalbelehnung unter Abt Cölestin II. von 1741: "Peregrin Wohlgesinger". Dabei ist zu bemerken, dass beim eigentlichen Eintrag, Lehenarchiv Bd. 234, Mosnang, fol. 28b, durch einen Flüchtigkeitsfehler des Schreibers nur steht "Wohgesinger" in dem es sich hier vorfindenden Register richtig heisst: "Wohlgesinger Peregrin, fol. 28". Und gleichfalls steht so "Peregrin Wohlgesinger" in dem Eintrag der Generalbelehnung unter Abt Beda Angehrn von 1768, (Lehenarchiv Bd. 279, Mosnang fol. 8b). Zusammenfassend wird betreffend die Frage "Wohlgesinger oder Wolgesinger" historisch bemerkt werden müssen, dass beide Formen sich belegen lassen, dass entsprechend der Schreibweise geschichtlich "Wolgesinger" früher ist, dass aber beide auf eine ursprünglichere Form "Wolkassinger" zurückgehen, die sich aus dem 1470 belegbaren Ortsnamen "Wolckassingen" entwicktelt hat. In der Form des Ortsnamens scheint die Schriftform "Wol" beibehalten wordein zu sein, trotzdem Otto Henne-am Rhyn in seinem Ortslexikon, wie oben eingangs bemerkt "Wohlgesingen" schreibt. Schon als im 18. Jahrhundert für den Geschlechtsnamen "Wohlgesinger" die gebräuchlichere Form geworden war, lässt sich für den Ort "Wolgesingen" noch belegen. Die Ausmarkung des Gerichtes Mosnang von 1764, der eine Karte des Gerichtes beigegeben ist, verzeichnet die Ortschaft als "Wolgesingen", wobei bemerkt werden darf, dass sie zum Gerichte Kirchberg, das dem Stifte St. Gallen unterstand, gehörte, und nicht zum Gerichte Mosnang, dessen Niedergerichtsherr damals das Kloster Fischingen war (Stiftsarchiv Urk. CC2 - P4). Auch die Siegfried-Karte, Blatt 217, gibt den Namen mit "Wolgesingen" wieder. Wie die Schreibweise in der Gemeinde Mosnang angewandt ist, entzieht sich natürlich meiner Kenntnis. Auf die etymologische Seite des Namens darf ich mich nicht einlassen. Das wäre dann schon die Sache eines Germanisten. Dagegen wird es wohl kaum zweifelhaft sein, dass im ersten Teile des Namens ein althochdeutsches Wort, bez. ein Personennamen steckt, dan den die auf eine Sippensiedelung deutende Endung "Ingen" angehängt wurde. Die Namensform "Wolgensinger", wie sie der Petent anwendet und wie sie nach dessen Ausführungen auch mit Wohlgensinger jetzt in Mosnang angewendet wird, ist für den Geschlechtsnamen in den Quellen des Stiftsarchivs gar nicht, für den Ortsnamen einmal, sehr früh verhältnissmässig, zu 1508, belegbar. Für den Geschlechtsnamen erscheint zweimal 1562 die Form "Wolkensinger", s.u. (Bd. 3b.), resp. mit der Häufung und Dehnung "Wolckhensinger". Mit vorzüglichster Hochachtung ergebenst sig. Dr. Jos. Müller, Stiftsarchivar